Islamismus in Deutschland Nancy Faesers Sehschwäche für Möchtegern-Ajatollahs

Eine Kolumne von Alexander Neubacher

13.10.2023, 13.00 Uhr o aus DER SPIEGEL 42/2023

Die Innenministerin hat vor einem Jahr einen Expertenkreis zum Thema Islamismus und Antisemitismus aufgelöst. Judenhass und Deutschland - was soll da schon schiefgehen?

Nancy Faeser: Womöglich sieht die Innenministerin auf einem Auge nicht so gut
Foto: Filip Singer / EPA

Bevor sich Nancy Faeser in ihr Wahlkampf-Sabbatical bei der Hessen-SPD verabschiedete, warf sie im Innenministerium vor gut einem Jahr noch schnell ein paar Fachleute raus, die sich mit islamistischer Ideologie, Demokratiefeindlichkeit und Antisemitismus beschäftigen. Vielen Dank für die Arbeit, hieß es zum Abschied an die elf Mitglieder des "Expertenkreises politischer Islamismus", aber das Gremium werde in dieser Form nicht fortgeführt, anders als der Expertenkreis zum Thema Muslimfeindlichkeit.

Womöglich war die Bundesinnenministerin davon überzeugt, es gebe keinen großen Forschungsbedarf mehr. Judenhass in Deutschland - was soll da schon schiefgehen? Womöglich sieht Faeser auf einem Auge aber auch nicht so gut.

Nun ist es richtig, dass die größte Gefahr für Juden hierzulande nicht von Möchtegern-Ajatollahs ausgeht, sondern von Neonazis. Die Statistik des Verfassungsschutzes ist eindeutig. Das war allerdings, bevor die Terroristen der palästinensischen Hamas am Wochenende Israel überfielen, wehrlose Menschen abschlachteten, Greise und Kinder entführten.

In mehreren deutschen Städten gab es seitdem Freudenfeste von Islamisten. In Berlin verteilte ein Aktivist Süßigkeiten, auf Social Media begegnete mir eine Frau aus Hamburg, die herzhaft in die Kamera eines NDR-Teams lachte und sagte, wie sehr sie sich doch über die Anschläge freue: "Wir haben gefeiert zu Hause."

Anti-Israel-Demonstration in Berlin-Neukölln 2018
Foto: Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V. / picture alliance / dpa

Zwei SPIEGEL-Kolleginnen waren in den vergangenen Tagen in Berlin-Neukölln unterwegs. Sie hörten moderate Stimmen, aber auch blanken Hass gegen Juden. Die Neuköllner Integrationsbeauftragte Güner Balci sagt : "Es ist leider so, dass breite Teile der arabischsprachigen Bevölkerung in Neukölln Sympathien für die Terroristen hegen." Und weiter: "Ich würde keinem raten, seinen jüdischen Glauben in Neukölln sichtbar zu machen."

Der jüdische Fußballverein TuS Makkabi Berlin, ein Fünftligist, hat sein Spiel letztes Wochenende abgesagt und wird am kommenden Wochenende wohl unter Polizeischutz antreten - Sicherheitsbedenken.

Faeser hat nach ihrer Niederlage bei der hessischen Landtagswahl ihre Arbeit im Innenministerium wieder aufgenommen. Kanzler Olaf Scholz findet, sie solle weitermachen. Vielleicht geht er davon aus, es sei fürs öffentliche Ansehen der Ampel eh egal, wer den Job macht. Viel tiefer kann die Koalition kaum sinken, auch nicht mit einer Innenministerin, die mit dem einen Auge schlechter sieht.

Die Union hatte letztes Jahr im Bundestag beantragt, den "Expertenkreis politischer Islamismus" bis zum Ende der Legislaturperiode weiterzuführen, doch sie scheiterte an der Mehrheit der Koalition. Wenigstens diesen Fehler sollte Faeser nun korrigieren. Einige der früheren Mitglieder des Gremiums haben bereits erklärt, sie stünden zur Verfügung. Die Telefonnummern sind im Ministerium ja bekannt.


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